FAIRMED vor Ort: Sie leben in einer ganz normalen Wohnung am Stadtrand von Zürich und stecken das Geld, das Ihnen zur Verfügung steht, lieber in wohltätige Organisationen als in Luxus. Woher kommt dieses Bedürfnis, den eigenen Wohlstand mit denen zu teilen, die weniger Glück hatten?
Marlies Bertschmann: Ich bin so aufgewachsen. Obwohl wir zwölf Kinder waren, haben uns die Eltern vorgelebt, bescheiden zu sein und an die zu denken, denen es weniger gut geht als uns. Ich weiss noch, dass ich es als Kind zuerst nicht verstanden habe, dass meine Mutter zu Anlässen von verschiedenen Organisationen eingeladen wurde – bis sie mir erklärte, dass sie diese Organisationen regelmässig finanziell unterstützte.
Wir möchten unser Geld nicht Menschen vererben, die selber schon genug haben.
Diese Grosszügigkeit und Solidarität ziehen sich auch durch Ihr eigenes Leben. Sie unterstützen nicht nur unsere Arbeit regelmässig und grosszügig, Sie haben sich sogar entschieden, vier ausgewählte Organisationen, unter ihnen FAIRMED, in Ihrem Testament zu berücksichtigen. Was hat Sie bewogen, diesen Schritt zu tun?
Marlies Bertschmann: Schauen Sie, wir möchten unser Geld nicht Menschen vererben, die selber schon genug haben. Es sollen die Menschen profitieren, die es wirklich nötig haben. Die Menschen, für die sich FAIRMED einsetzt, gehören zu ihnen – die Ärmsten der Armen in Asien und Afrika. Wir helfen gern mit, dass diese Menschen eine anständige Gesundheitsversorgung bekommen.
Darüber sind wir sehr froh und möchten uns herzlich bedanken. Erst die Solidarität von Menschen wie Ihnen macht unseren Einsatz möglich! Ist das Thema Gesundheit ein wichtiges Thema für Sie, weil Sie lange Zeit selber im Gesundheitswesen tätig waren?
Marlies Bertschmann: Sicher! Als medizinische Assistentin habe ich 27 Jahre in Arztpraxen gearbeitet und anschliessend während neun Jahren meinen kranken ehemaligen Chef gepflegt. Aber auch Krankheit und früher Tod von zwei meiner Brüder hat bei mir den Wunsch nach bestmöglicher Gesundheit für alle tief verankert.
Wie entscheiden Sie als Ehepaar, welche Institutionen unterstützt werden sollen? Georges Bertschmann: Wir unterstützen nicht viele verschiedene Organisationen, sondern einige wenige ausgewählte, diese dafür grosszügig. Bei mir ist es zum Beispiel die Organisation «Denk an mich», die ich schon seit mehreren Jahrzehnten unterstütze. Mir ist es wichtig, dass auch Menschen mit Behinderungen und ihre Angehörigen sich Ferien und eine Auszeit leisten können … Marlies Bertschmann: … ja, seit ich Georges kenne, hat er sich noch nie etwas für sich selber gewünscht. Er sagt immer allen, sie sollen etwas spenden.
Herr Bertschmann, Sie haben sich auch selber ehrenamtlich engagiert.
Ja, ich habe nach meiner Pensionierung bis zu meinem siebzigsten Geburtstag für die Organisation Nez Rouge als freiwilliger Fahrer Menschen, die nicht mehr fahrtüchtig waren, nach Hause gefahren. Das waren längst nicht nur Betrunkene, sondern auch Menschen, die ihr Fahrzeug aus medizinischen Gründen nicht mehr lenken konnten. Es hat mir schon sehr Freude gemacht, diesen Menschen das zuliebe zu tun: Sie kamen sicher und unfallfrei nach Hause und mussten am nächsten Tag nicht noch ihr Auto holen gehen!
Für Nez Rouge fuhr ich Menschen, die nicht mehr fahrtüchtig waren, nach Hause.
Sie beide unterstützen FAIRMED treu und grosszügig, können sich also mit dem, was wir tun, gut identifizieren. Gibt es etwas, was wir in Ihren Augen besser machen können?
Marlies Bertschmann: FAIRMED könnte bekannter werden! Wenn wir den Leuten erzählen, dass wir bei euch sind, wissen nicht immer alle, wer ihr seid. Früher, als ihr noch Leprahilfe hiesst, wart ihr bekannter. Ich erkläre den Leuten dann, dass euer Personal in den Ländern dafür sorgt, dass auch die Allerärmsten medizinisch versorgt werden.
Das ist wunderbar, vielen Dank! Und besonders schön auch die Formulierung, dass Sie «bei FAIRMED sind», das drückt eine grosse Solidarität aus, die wir ungeheuer schätzen. Und ja, die Bekanntheit der Leprahilfe war grösser. Der Namenswechsel zu FAIRMED im Jahr 2009 war nötig, weil unsere Arbeit sich nicht mehr nur um Lepra drehte. Inzwischen waren vielfältige andere Gesundheitsthemen wie Mütter- und Kindergesundheit, Hygiene, Versorgung von benachteiligten Menschen und solchen mit Behinderungen sowie weitere vernachlässigte Tropenkrankheiten wie Buruli, Frambösie und Wurmerkrankungen dazugekommen. Wir bemühen uns, FAIRMED mit kostengünstigen Werbemassnahmen bekannter zu machen. Für uns steht aber an erster Stelle, dass der Grossteil der Spenden den Menschen, die dringend eine Gesundheitsversorgung benötigen, zugutekommt.
Georges Bertschmann: Das ist schon gut so.
Ich erkläre den Leuten dann, dass FAIRMED in den Ländern dafür sorgt, dass auch die Allerärmsten medizinisch versorgt werden.
FAIRMED vor Ort: Sie sind seit 31 Jahren verheiratet. Was ist Ihr Geheimnis für eine glückliche Ehe?
Georges Bertschmann: Toleranz, Achtung, Wertschätzung. Die Meinungen miteinander teilen. Wenn es ein Problem gibt, nicht davonlaufen, sondern es ausbaden. Marlies Bertschmann: Wir gehen nie im Streit zu Bett. Man weiss nie, ob der andere am nächsten Morgen noch aufwacht. Wir sind in einem Alter, in dem wir uns mit unserer Endlichkeit befassen müssen. Dazu gehört auch, dass wir unseren Nachlass geregelt und die Ärmsten in unserem Testament berücksichtigt haben. Wir können nur mitnehmen, was wir Gutes getan haben, hat Lotti Latrous einmal treffend gesagt.