March 2023

Wenn Tradition das letzte Wort hat

Auch Gyansalmo trägt im Personalausweis einen Nachnamen, der die Kaste benennt, zu der sie gehört: Tamang. Die Tamang, die mehr als fünf Prozent der nepalesischen Bevölkerung ausmachen, sprechen einen tibetischen Dialekt und sind eine ursprünglich nomadische Gemeinschaft, die über Jahrhunderte fernab von grösseren Siedlungen gelebt hat und immer noch tief verwurzelte, eigene medizinische Praktiken pflegt. Dazu gehört, dass die Frauen der Tamang ihre Kinder in schlechten hygienischen Bedingungen gebären und damit ein hohes Risiko für Mutter und Kind, bei der Geburt zu sterben, in Kauf nehmen.

«Meine Mutter hat mich zu Hause geboren, also habe ich meine Kinder auch zu Hause geboren. Ich würde diese Tradition niemals aufgeben, ich kenne keine Frau im Dorf, die ins Spital fahren würde, um ihre Kinder zu gebären. Mein Mann hat ein Messer aus dem Ausland mitgebracht, um die Nabelschnur zu durchschneiden. Leider hatten wir keinen Alkohol, um es zu desinfizieren. In unserer Siedlung leben wir vom Reisanbau. Leider reicht das aber nicht, darum arbeiten die meisten Männer im Ausland und wir Frauen bestellen die Felder allein, ziehen unsere Kinder allein auf und schauen allein zum Haus.»

Quote

Mein Mann hat ein Messer aus dem Ausland mitgebracht, um die Nabelschnur zu durchschneiden.

Wie FAIRMED hilft

Die Praxis der Hausgeburt ist bei den Angehörigen der Tamang so tief verwurzelt, dass sogar die jüngsten Frauen sich weigern, rund um Schwangerschaft und Geburt medizinische Unterstützung in Anspruch zu nehmen und damit Komplikationen oder sogar den Tod riskieren. Im Gegensatz zu anderen, meist sehr abgelegenen Tamang-Gemeinden ist die Siedlung Giranchaur Namuna durch eine Strasse mit dem Gesundheitsposten verbunden, und dieser verfügt sogar über einen eigenen Rettungsdienst. FAIRMED baut deshalb in der Siedlung eine Müttergruppe auf, unter deren Anleitung die Ängste vor einer Spitalgeburt abgebaut werden Mitarbeitende des Gesundheitspostens besuchen regelmässig die Siedlungsbewohnenden, um das gegenseitige Vertrauen aufzubauen.